Unlängst fiel mir eine Schachtel mit Ansichtskarten in die Hände, die schon seit Jahren im Schrank liegt. Sie enthält meine Sammlung aus Jugendjahren, die hauptsächlich aus Exemplaren besteht, die meine Eltern und Großeltern freiwillig hergegeben haben. Darunter findet sich manches Juwel, wie z.B. Karten meines Großvaters aus seiner Ausbildungszeit zum Huf- und Wagenschmiedemeister in den 30er-Jahren im steirischen Eisenerz, oder später aus dem Krieg in Tschechien. Eine Auswahl sieht der geneigte Leser hier.
Eben im Pongau war ein beschauliches Dorf in den 50er Jahren. Es gab einen Bahnhof, aber sonst nicht viel, und vor allem keine Tauernautobahn. Ein Freundin oder möglicherweise Kusine schickte meiner Mutter diese Karte, die im August 1958 gerade 18 war, die Matura und eine Mandeloperation hinter sich hatte.
Dann gibt es mehrere Karten vom Erzberg in Eisenerz, die mein Großvater Franz Böck an seine Familie in Riegersburg schickte. Er muß da wohl zur Ausbildung gewesen sein. Er schreibt zum Beispiel: „Wenn die Prüfung am Freitag ist werde ich Euch verständigen. Teile Euch mit daß ich Sonntag nicht komme weil es mir nicht ausgeht. Wir haben am Freitag die Prüfung. Oder sie kann auch Montag erst sein daß wissen sie selbst noch nicht genau auf alle Fälle schicke mir Geld 60 S sonst habe ich zu wenig. Franz“ Und am oberen Rand auf der Vorderseite schreibt er noch: „ Ich habe die Mitte (anm. Miete) auch noch nicht bezahlt„.
Der Poststempel ist vom 20. VI. 1931. Mein Großvater war entweder ein Freund von Sprengungen, oder Ansichtskarten mit Sprengungen waren günstig zu bekommen.
Diese Karte ist nicht gestempelt. Das Datum des Copyrights ist 1923.
Wenn früher die Rede vom Erzberg war (bis in die 70er Jahre bildete Eisenerz ein industrielles Zentrum), sprach man immer vom Berg, oder von der Region, mit dem Verständnis, daß der Berg Wohlstand brachte. Freilich hat der Erzberg im Laufe der Jahrhunderte einigen wenigen Menschen individuellen Reichtum gebracht, aber im Bewußtsein der Menschen steht das nicht im Vordergrund. In den USA ist das anders. Hier gibt es Dynastien von Besitzern, die es zu Wohlstand bringen und den Leuten Arbeit geben, und das steht für die Menschen im Vordergrund. Schade, eigentlich.
Dann gibt es eine Reihe von Karten von meinem Großvater an meine Großmutter während des Krieges. Die Einzelheiten seines Dienstes bei der Wehrmacht kenne ich nicht, aber er schrieb zwischen 1942 und 1943 von mehreren Orten wie Prag, Budweis und Lundenburg.
N.D. ist die Abkürzung für Gau Niederdonau, dem alle diese Orte angehörten. Tschechien war zu dieser Zeit ein besetztes Gebiet und es scheint, daß mein Großvater dort nicht in Kampfhandlungen verwickelt war. Im Juli 1944 war er offenbar in Chemnitz, denn davon zeugt diese Karte, die ihm ein Freund mit unleserlicher Handschrift geschickt hat:
Er wurde aber später im Jahr 1944 nach Rumänien verlegt, wo richtiger Krieg herrschte, und das ja dann auch im selben Jahr von den Russen zurückerobert wurde. Mein Großvater ist aus Rumänien desertiert und zu Pferde (reitend in der Nacht, sich versteckend bei Tag) durch Ungarn wieder nach Hause ins Waldviertel gekommen, wo er in einem Heuschober bis zum Ende des Krieges ausharrte. Meine Großmutter war stolz auf ihn, wenn sie diese Geschichte erzählte. Er selber hat darüber nie gesprochen. Naturgemäß gibt es aus dieser Periode keine wie auch immer gearteten Dokumente.
Bevor mein Großvater meine Großmutter heiraten durfte, mußte er ihr Ansichtskarten schreiben, die seine Besuche ankündigten. Wie lange das so ging, weiß ich nicht genau, aber es wird überliefert, daß er im Elternhaus meiner Großmutter in Kleinzell nicht so gerne gesehen war. Schließlich stammte sie von einem wohlhabenden Gut in den Bergen, er hingegen war ein armer Habenichts aus dem kargen Waldviertel. Die untenstehende Karte vom 19.4.1939 enthält folgende Nachricht: „Liebes Roserl. Ich komme weiß aber nicht Samstag oder Sonntag nachdem es mir ausgeht. Viele Grüße x Franzl.“
Auf seiner Karte sieht man den Dorfplatz von Riegersburg, links im Hintergrund das Kaufhaus Kurzreiter, das in den 60er-Jahren noch existierte und an dessen Innenleben und Inhaberin ich mich ganz dunkel erinnere. Rechts im Bild das Postamt und das Zeughaus. Sowohl das Postamt als auch das Kaufhaus gibt es schon seit den 70ern nicht mehr.
Mein Großvater väterlicherseits war entweder nicht so schreibselig, oder aber seine Frau, meine andere Großmutter, hat nichts aufgehoben. Jedenfalls habe ich gar keine Dokumente aus der Zeit während oder vor des Krieges. Der Arme war noch dazu bis 1949 in russischer Gefangenschaft und verschollen. Niemand wußte, daß er noch lebte. Das muß man sich einmal vorstellen – mein Vater war da schon 10 Jahre alt, als er zum ersten Mal seinen Vater sah. Es gibt aber einige Karten von einem Onkel meines Vaters, wie zum Beispiel diese, die diesem aus Langau (dem Heimatort meines Vaters und nur 5 km von Riegersburg) zugestellt worden war (Feldpostnummer 13197 B., wo auch immer das war).
Man beachte das Auto im Vordergrund! Wie jeder Einheimische weiß, ist Langau natürlich viel näher bei Drosendorf als bei Retz. Deshalb hier auch ein Karte von Drosendorf aus dem Jahr 1960, von einer gewissen Ulli an meine Mutter.
Drosendorf hat auch heute noch 2 Teile – die Altstadt (im Vordergrund) und die Neustadt (im Hintergrund). Mich verwirrt das heute noch, weil die Neustadt eigentlich ziemlich alt ausschaut. Mein Vater ging dort in den 50er-Jahren zur Schule.
Hier ist noch eine Karte aus Langau. Das Datum des Poststempels ist der 21.7.1975, aber das Bild ist wohl ein paar Jahre älter und zeigt das Gasthaus Prand-Stritzko (das zukünftige Gasthaus Lenz), wo man nach dem Kirchengang gerne auf einen Frühschoppen vorbeischaute. Ich erinnere mich an den Erdnussautomaten im Schankraum, der eine besondere Faszination ausübte, mag der Inhalt auch noch so alt und ranzig gewesen sein.
Retz wurde erwähnt, und zum Glück gibts von dort auch eine Karte, wenn auch leider undatiert.
Und da Horn nicht weit ist, auch davon eine Ansicht – des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses, wo ich, der Onkel, 1964 das Licht der Welt erblickte.
Im Folgenden noch einige weitere Ansichtskarten mit Motiven aus der näheren und ferneren Umgebung. Hauptsächlich zeigen sie „Sommerfrischen“, denn in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfrischte man sich im Sommer gerne.
Obige Karte enthält Glückwünsche zur Vermählung an meine Mutter, mit Poststempel vom 23.10.1963.
Meine Mutter besuchte die Lehrerbildungsanstalt der Englischen Fräulein in Krems und schickte am 12.4.1959 diese Karte nach Hause (sie durfte 1 Stunde tanzen gehen, wie sie schreibt).
Sommerfrische Olbersdorf, 1940
Gänserndorf, Poststempel 1958
Sommerfrische Schönberg am Kamp, ca. 1955